Wer ist dieser Mensch, der sich in Zeichen, Geschichten und Texten verliert und erfindet. Ist ein echter Mensch nur einer, der schreibt, malt, programmiert, erfindet, kreativ ist?! Er zweifelt daran. Was macht einen “echten Menschen” überhaupt aus? Sind wir nicht alle nur Figuren in einem Spiel, dass sich jemand ausgedacht hat, der an einer Profilneurose leidet, die ihn glauben lässt sein Spiel hätte irgendeine Bedeutung?
Verstehen Sie, lieber Leser. Sie sind genauso wie ich nur eine Figur, spielen eine Rolle und das was Sie Freiheit nennen, den sogenannten Freien Willen, das verspielen Sie jeden Tag, jede Sekunde, aus Angst nicht mehr geliebt zu werden, nicht mehr dazu zu gehören, oder als Mensch zu scheitern.
All das ist Illusion und solange Sie nicht daraus ausbrechen, aus dieser Welt, die uns gefangen hält im Rausch des Konsums und der Lüste, der Ängste und Genüsse, solange sind Sie auch nicht besser als eine Gestalt in einem Roman, die erst weiterlebt, wenn man den nächsten Satz liest. Aber vergessen Sie nicht, wir Wortwesen sterben nie. Wir werden vergessen oder verbrannt, oder verschwinden im Abgrund der Ignoranz, aber wir sterben nie!
Ich weiß, dass es nicht zu guten Ton der Literatur gehört, seinen Leser direkt anzusprechen, aber her, Sie sind in meinem Kopf und ich habe Sie nicht eingeladen, das haben Sie schon selbst getan. Und wissen Sie was, ich hasse Sie dafür, dass Sie ein lebendes Wesen aus Fleisch und Blut sind. Warum? Weil ich es nicht bin und mein Autor es mir eingeschrieben hat. Und weil ich Sie so hasse, werde ich Sie quälen, werde Ihnen Geschichten und Ereignisse zumuten, die sie sich nicht gewünscht haben. Sie werden mich hassen. Sie können jederzeit das Buch weglegen und mich so versuchen aus Ihrem Kopf zu bekommen, diese Freiheit haben Sie, aber ich wette mit Ihnen, dass Sie es nicht tun werden. Sie werden dieses Buch bis zur letzten Seite lesen.
Warum schreibt ein Mensch? Warum setzt sich jemand hin und versucht Geschichten, Gedanken oder Ideen in eine Form zu bringen, damit andere sie lesen können? Aus reiner Bauchpinselei? Weil dieser Mensch glaubt, der Welt etwas wichtiges hinzufügen zu können, was mehr ist als nur ein nettes Konsumhäppchen? Warum quält man sich mit Worten herum?! Will man gelobt werden? Sollen die Leser und Kritiker einen hochleben lassen? Weil man in einem Wahn von Selbstüberschätzung lebt, dass der selbstverfasste Haufen Papier besser oder wichtiger ist, als die Tonnen von bedrucktem Papier, dass die Konsummaschine Lesen jedes Jahr zum Fraß vorgeworfen bekommt?!
Warum also? Weil Menschen nicht anders können, als kreativ und produktiv zu sein? Mir wäre es lieber die Menschen wären es weniger. Dann stünde es weitaus besser um unseren Planeten und das Glück der Menschen, dann hätten sie endlich wieder Zeit füreinander und dafür darüber nachzudenken, was sie denn wirklich wichtiges mit ihrer Zeit anfangen wollen. Mit ihrer Liebsten lachen, mit ihren Kindern spielen, in der Abendsonne sitzen oder ein gutes Mahl genießen im Kreis ihrer Freunde. Aber nein, alle müssen kreativ oder produktiv sein und die Welt mit ihren Ergüssen quälen. In vergangen Zeiten waren es die Wahnsinnigen, Irren und Sonderlinge, die Künstler waren. Heute grassiert die Pest der Kreativität, jeder ist, will und muss kreativ und produktiv sein, um als ganzer Mensch durchzugehen.
Eigentlich müsste man schweigen und verstummen und all den anderen die Welt überlassen.
Aber das geht nicht. Vor mir sind Sterne in den Himmel aufgestiegen und haben die Zukunft in ihrem Strahlen erhellt, haben die Möglichkeiten der Menschheit in den schönsten Farben gezeichnet und ihr grauenhaftes Gesicht enttarnt. Jetzt kann ich nicht mehr wegsehen und schweigen. Diese wunderschöne Bestie Mensch, die zu so wundervollen, liebevollen Gaben fähig ist und gleichzeitig ein so zerstörerisches Monstrum sein kann.
Es ist nicht, dass wir nicht wüssten, was wir tun. Wir wissen es sehr genau und diejenigen vor uns wussten des genauso. Nur keine Generation hat sich vor diesem Wissen so versteckt wie die unsere. Wir zerstören uns und diese Welt, unsere eigene und die Zukunft unserer Kinder. Wir wissen es, wir tun es jeden Tag. Wissentlich und machen immer weiter. Wir schauen weg und verrohen, verkümmern in den Genuss des Rausches, den wir uns im Wegsehen gönnen können, im Genuss des Konsums, der uns von allem entbindet und befreit, der alle Schuld von uns nimmt und das süsse Gift ist, dass wir glücklich trinken.
Wenn eines Tages das Licht des Konsums ausgeht, wenn sein Stern erlischt und die Nacht über den Rausch hereinbricht, wo werden wir dann sein? Wird es uns dann noch geben in der trüben Dunkelheit und stinkenden Stille einer leergefressen Welt? Wird das Weinen von Kindern süßer sein als vergorener Honig? Was wird das dann für ein Ort sein und was wird dann aus uns Menschen geworden sein?
Heute sagte mir ein Freund, den ich lange Jahre nicht gesehen hatte, dass er immer geglaubt hatte, dass ich eines Tages einer dieser Internet-Millionäre sein würde, weil ich schon damals in den frühen 90ern so viel von all dem gewußt hätte. Das schmeichelte mir, versetzte mir aber dennoch einen schmerzlichen Stich.
Vielleicht sind es auch die tausenden von Chancen, die man seinem Leben verstreichen sieht, vielleicht ist es die schlussendliche Erkenntnis der eigenen Unfähigkeit das aus seinem Leben zu machen, was es hätte sein können: Reich an Materiellem, Geist und Seele. Der Schöpfer seines eigenen Lebens zu sein. Ja, was hätte nicht alles aus mir werden können?
Jetzt sitze ich hier und schreibe vor mich hin. Haue meine Unfähigkeit in die Tasten und gräme mich, verschwendete Haut zu sein, die nur Luft verschwendet.
Es ist Samstag, ich sitze in meiner Küche, meine Freundin ist in ihrem Zimmer und meine Kinder schauen fern.
Ich schreibe und fühle mich auf eine phantastische Art und Weise elend. Ist es nicht das Privileg eines Schriftstellers, Seiten mit Tinte zu füllen und die Welt an seinen nichtigen Ergüssen Teil haben zu lassen?
Am Liebste würde ich einen Virus erfinden, der Menschen die Zeichen vergessen läßt. Keine Schrift mehr, keine Zukunft, nichts was bleibt, außer den reinen Jetzt der Existenz. Kein Schreiben mehr, um Leser zu erreichen, seinen Geist in die Welt zu bringen oder sonst einen Humbug. Keine Bücher mehr und keine Briefe, keine Zeitungen oder Magazine, das Internet bestünde nur noch aus unverständlichen weißen Seiten mit einem leichten gräulichen Schleier.
Menschen müssten sich nicht mehr in der Schrift beweisen oder in dem, was sie tun. Endlich könnten sie sich im das kümmern, was direkt vor ihren Nasen liegt. Die Menschen, die sie vorgeben zu lieben, vor denen sie aber so schnell und weit wie möglich fliehen.
Das alltäglich Drama. Wir lernen von den großen Geistern vor uns, wie ein besseres oder gar ein gutes Leben zu sein hat und das die Welt, die uns unsere Eltern für uns hinterlassen nicht das gute Leben bietet.
Wie abscheulich es ist zu leben in unserer Welt der optimierten und selbstoptimierten Gestalten, die sich glücklich schätzen, sich einem flachen, medialen Ideal selbstausbeutend anzunähern. Wir leben in einer Welt der Ratgeber und glücklichen Naivität, dass alles gut werden würde, wenn wir nur schön weiter an uns arbeiten. Doch nichts wird wieder jemals gut. Wir haben unsere Unschuld schon verloren. Die kommt niemals wieder, da hilft auch all diese Mechanik des Vergessens nicht. Wir haben schon verstanden, dass es die schönen, billigen T-Shirts nur auf kosten der menschen verachtenden Sklaverei und Ausbeutung gibt. Wir wissen bereits, dass der Mensch des Menschen ärgster Feind ist und der arme Wolf rein überhaupt nichts dafür kann. Wir haben schon erfahren, dass wir lächelnd die Welt um uns herum nur als verarbeitbares Material oder als zu konsumierende Ware betrachten und schulterzuckend in vergiften Müll verwandeln. Ungeachtet, was bleibt, nach uns kommt oder welche Konsequenzen es hat.
All das wissen wir und noch viel mehr. Wir wissen, dass wir heute keine Zensur mehr brauchen, weil sie schon lange in unseren Köpfen und der Gier nach zahlendem Kaufvieh installiert ist. Wir wissen, dass wir uns nur noch mit all jenem umgeben, was sowieso schon unserer Meinung entspricht. Alles andere ist krank, potentiell gefährlich oder langweilig.
Ich hätte große Lust einfach nur seitenweise computergenerierte Texte in meinem Buch abzudrucken, allerdings liest es dann niemand mehr, oder vielleicht gerade deswegen. Bisher reichen meine Fähigkeiten leider nicht aus, um einen Algorithmus zu erschaffen, der aus den Texten des Netzes, meiner eigenen Texthalden und allem möglichen, schöne, sinnvolle Texte zu schaffen. Wenn wir Menschen uns auf dieser Welt unnötig machen und sich irgendwann Computer gegenseitig Gedichte vorlesen, oder Menschen sowieso nur massenweisen Müll produzieren, der des Lesens nicht wert ist, warum dann nicht konsequent? Vielleicht ist dieser Text ja auch schon durch einen Roboter geschrieben.
Ich kann nicht mehr. seit Jahren verstecke ich mich hinter der Software, dem Code und Daten. Ich schreibe Programme, die für mich meine Arbeit erledigen sollen, entwerfe und installiere Infrastrukturen und Systeme, die für mich das tun sollen, wozu ich mich nicht traue. Verändern. Mich, mein Leben, das Leben anderer, die Welt.
Ich verstecke mich hinter den Codes und in den Systemen und wie die Systeme anderer bin ich überall und nirgends.
Dies ist mein Code, dein Gehirn ist meine Maschine, ich bin Software, Computer Hardware, du Wetware, eine Softmachine.
Meine Worte formen ein Programm in deiner Seele, das Veränderung wünscht, umsetzen und erzielen will.
Amoklauf? Vielleicht, wenn du feige bist. Ansonsten gehst du durch die Hölle und die Hölle bist immer du selbst und die Anderen. Vergiss nie, dass Du ein Mensch bist, eine Softmachine.
Was muss geschehen? Warum schreibe ich noch, wenn das Schreiben, wie jede Art der schöpferischen Äußerung Ausdruck eines verwirrten Geistes ist, der der Maxime eines verwirrten Systemes aufgesessen ist?
Unsere Welt braucht das Mehr, die Steigerung, den Verbrauch, das immer Weiter und jeder einzelne ist Teil dieses mörderischen Apparates, der unsere Köpfe, Körper und Seelen erfasst und sich einverleibt hat.
Ich schreibe noch immer, obwohl ich weiß, dass jedes Zeichen Ausdruck dieses Wahnsinns ist, der sich Kapitalismus nennt.
Die Maschine hat das Erschaffen von Ideen in den Griff genommen und saug alles und jeden ein. Alle Menschen, die auch nur minimales Potential besitzen lernen kreativ zu sein, um ausbeutbar zu werden, Material, Rohstoff zur weiteren Akkumulation von Kapital. Vielleicht war Kunst niemals frei, aber jetzt ist sie Öl im Feuer des Kapitalismus.
Vielleicht hatte die Kunst nie die Macht die Welt zu verändern, aber jetzt ist sie die Hure der Maschine.
Und dennoch muss ich es weiter tun. Warum? Weil ich auch nur ein krankes Kind dieser kranken Welt bin oder weil ich vermute, dass die richtige Dosis dieses Giftes die Medizin sein kann diese Welt, uns Menschen und diese Welt von uns zu heilen. Also wie kann es gehen?
Wie werden wir Menschen, die eine Bedrohung für uns selbst und das Leben auf diesem wunderschönen Planeten geworden sind wieder zu einem Teil des Lebens. Kann es gelingen durch den Wahnsinn, den wir erschaffen haben tatsächlich auch die Heilung von ihm zu erschaffen? Wenn ja wie? Und genau diese Frage ist schon wieder Hybris, Selbstüberschätzung, Wahn.
Der Irrsinn des Schreibens als Marathon. Da setzt man sich ein rein statistisches Ziel: 50.000 Worte in 30 Tagen und das Ganze heißt dann Novelle. Dazu muss man einfach Text produzieren. Mit Qualität hat das alles nichts mehr zu tun. Genau so ergeht es unserer ach so geschätzten Wissensgesellschaft. Masse! Zeigen! Präsent sein, egal was die Qualität sagt. Die kommt hinterher beim Überarbeiten, wenn man noch Zeit dafür hat.
Ich mache es mir jetzt einfach. Ich kopiere alte Ideen, Texte, Gedanken und Baustellen hier rein und schleife den Haufen Altmetall, bis er funkelt und glänzt. Literarisches Upcycling.
Vielleicht muss dieses ganze erbärmliche Vorhaben eben genau das sein. Upcycling, aus alt mach neu… unterbrochen von dem immerwährenden Gebabbel des geisteskranken Mahners, der darauf besteht sagen zu müssen, dass altes Zeug dennoch altes Zeug bleibt… dennoch braucht unsere Welt überhaupt irgendetwas neues in den Schlund des Mahlstroms?
Da habe ich doch tatsächlich beim Wühlen in meinen Notizbergen einen Zettel gefunden, auf dem ein durchgestrichenes Arschloch stand und BANG daneben. Da bin ich doch anscheinend einmal einem Arschloch begegnet und habs hinterher ausgestrichen, denn als das Arschloch sich als Arschloch offenbarte, blieb mir die Luft weg. Leider! Wie so oft. Arschlöcher erstaunen mich immer maßlos. Mir bleibt einfach die Luft weg und ich staunte nur noch. Und schon ist die Reaktionszeit vorbei. Arschloch zieht weiter und ich stehe ich stehe da, wie ein Fisch an Land. Der Zug ist schon lange abgefahren und ich staune noch immer. Mit einem ätzenden Knoten im Bauch. Später habe ich dann „Arschloch“ auf ein Blatt geschrieben, durch gestrichen und Bang daneben geschrieben. Jämmerlich.
Worum geht es hier?
Eine Sammlung, ein Experiment? Ist es ein Bericht oder der Wahn eines Verrückten?
Ich weiß es nicht.
Ich schreibe es nieder.
Ich hasse das Schreiben, ich habe es immer gehasst. Schon in der Schule war es mir suspekt.
Genauso, wie die Schrift und das Lesen im allgemeinen.
Jeder Kontext ist eine Schleife im Universum des Versehens
Werden aus Menschen, die im wahren Leben nichts auf die Reihe bekommen Schriftsteller? Da kann man einfach mal die Menschen zur Rechenschaft ziehen, die man im wahren Leben nicht zu fassen bekommt. Da kann man sich mit ein paar Worten rächen für die Erniedrigungen eines unerfüllten Lebens. Ich muss mehr Krimis schreiben oder Horrorsplatterpsychopornos, doch leider sind die immer so langweilig…
Texte sind nur so gut, wie der Leerraum, den sie in der Seele des Lesers erzeugen, den dieser selbst füllen kann.