„Vertrau mir, ich lüge immer.“
Ich könnte behaupten ich wüsste warum ich das hier schreibe. Ich könnte sagen, dass ich im vollen Bewußtsein meiner geistigen Fähigkeiten entschlossen habe, den Schleier zu lüften, der meine Existenz umhüllt. Ich bin, weil ich unsichtbar bin. Ich bin, durch meine Taten, die nicht auffallen und so lange etwas vorgaukeln zu sein, bis sie es tatsächlich sind. Ich existiere, weil ich nicht sichtbar bin und dennoch schreibe ich diesen Bericht?
Warum?
Ich glaube der Grund dieses Berichtes ist Einsamkeit. Ja, ich bin ein einsamer Mensch. Ich bin mit dem was ich tue weitestgehend alleine, auch wenn es da draußen andere Fälscher gibt. Vielleicht kann ich die Einsamkeit durchbrechen, indem ich meine Geheimnisse mit anderen Teile und wir alle eine Gemeinschaft der Fälscher werden.
Ich lebe in einer einer Zeit, die das Träumen von einer gemeinsamen, freien Welt aufgegeben hat. Heute wird das Program für die Existenz des Individuums nicht in „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ oder „Frieden, Freihei, Liebe“ geschrieben. Heute heißt es: „Panik, Kontrolle, Konsum“.
Wir Menschen werden den ganzen Tag mit Bruchstücken aus Panik, Furcht, Angst und konsumerabler Widerholung bombardiert. Armut und Hunger, Krieg und Tod, Betrug und Verrat, Abstieg und Hoffnungslosigkeit, Macht und Ohnmacht überall. Die Furcht das zu verlieren, was wir zu besitzen glauben oder jenes nicht zu erlangen, das uns als Ziel und Gewinn nahelegt wurde, steckt in jeder Faser unseres Fleisches.
Ich lebe in einer Zeit in der Menschen nicht mehr dank unserer Existenz Mitglieder dieser Gesellschaft sind, sondern durch die Rollen, die wir mit unseren Körpern, Seelen und unserem Geist spielen. So werden Menschen zur statischen Reproduktionsform gesellschaftlich notwendiger Funktionen.
Dieser Betrug geschieht auch noch im Mantel des Individuums und in der Verkleidung der freien Entscheidung des Einzelnen.
Ich fing an Fälscher zu sein, als ich begann dieses Spiel aktiv mitzuspielen. Ja, ich verweigerte den Gehorsam. Ich verwandelte zuerst mich und meine Vergangenheit. Zuerst ein wenig und in kleinen Details, dann immer mehr und sprunghafter, bis ich die Rollen völlig erfundener Menschen annahm. Ich wurde zu einem Hochstapler, spielte die unterschiedlichsten Rollen. Einmal, um mich zu bereichern, einmal um mich zu befreien oder um zu sehen, was möglich ist.
Ich begann als Akteur in dem Spiel zu spielen, das tagtäglich mit uns gespielt wird.
Im Alltag muss man Alles und das Beste geben, um nicht ausgespieen zu werden, sagt das Spiel. Also tue ich so als gäbe ich das Beste und schaffe Situationen, in denen mein Handeln zur positiven Geltung kommt, auch wenn es belanglos ist. Nicht das tatsächliche, nicht die Wahrheit spielt heute eine Rolle, sondern die Oberfläche, also gib dem Affen Zucker.
Heute heißt es dem Apperat zu gefallen dem jeder dient. Also tut man es und rettet sich nebenbei noch ein Stückchen Freiheit. Unsere Ökonomie verlangt alles von uns, also spiele ich ihr Spiel, als würde ich alles geben, verbringe aber die meiste Zeit eher mit diesem Spiel, als mit dem tatsächlichen Handeln.
Die Ganze individuelle Kreativität und Kraft, der ganze Mensch wird heute verlangt und all seine Gaben und Möglichkeiten in Anspruch genommen, also gibt man dem Spiel eine Glasperle und behält das Beste für sich und andere Menschen. Letztlich tue ich nichts anderes als alle hier, aber vielleicht tue ich es weitreichender und konsequenter.
Das Erlangen einer stabilen, egoistischen und ausbeutbaren Rolle in unserer Gesellschaft ist unsere Aufgabe als Menschen, sagt das Spiel. Dies ist die Freiheit die wir haben: uns voll und ganz zu opfern.
Ich habe also begonnen Leben zu fälschen, Ereignisse und Existenzen zu erfinden und gegen die Gesetze unserer Welt zu verändern, die keine Naturgesetze sind. Das ist meine Arbeit und meine Kunst und ich tue es nicht nur für mich, sondern auch für andere.
Sie werden sich wundern, wem ich schon alles helfen konnte, etwas zu erreichen, das ihnen auf den üblichen Wegen verwehrt war. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und Verantwortung für Unternehmen, Konzerne und politische Organisationen tragen, waren zuerst die verzweifelten Opfer des Spiels. Viele Menschen der unterschiedlichsten Herkunft kamen zu mir und ich konnte ihnen helfen sich zu helfen.
Nehmen wir einmal an, in dieser Welt, in der unsere ureigenen Gedanken, Gefühle und Einsichten, mit Sicherheit schon gedacht, gefühlt oder gesehen worden sind, wollen Sie etwas erreichen. Dazu müssen Sie, wie jeder andere Mensch auch etwas besonderes haben oder sein, und zwar genau das, was die Welt von Ihnen erwartet.
Wir sind alle vergleichbar und stehen mit der ganzen Welt in Konkurrenz und jeder muss schneller sein und sich durchsetzen, die eigenen Erfahrungen ausschlachten und verwerten, bevor es die sogenannten Anderen tun, sagt das Spiel. Dieser Glaube wird gegen uns eingesetzt.
Was ich tue, ist das Spiel zu unterlaufen, ihm buchstäblich das zu geben was es will, aber nicht mehr, um gleichzeitig Menschen dabei zu unterstützen, sich gegenseitig zu helfen, ihre jeweiligen eigenen Ziele zu erreichen und gemeinsam davon zu profitieren.
Also fälsche ich Ereignisse, Sabotiere Vergangenheiten und Wahrheiten, erzähle Lügengeschichten, bis sie Wahrheit werden.
Nehmen wir einmal an, Sie suchen eine neue Anstellung und wissen, dass ihnen das Wissen, dieses oder jenes Zertifikat und ein besonderer Abschluss fehlen, um bei der Firma, bei der Sie sich bewerben wollen in die nähere Wahl zu kommen. Sie haben vielleicht schon zahllose Bewerbungen offen und ehrlich, mit aller Zuversicht geschrieben, die ergebnislos verraucht sind. Sie sind verzweifelt und wissen nicht mehr, wie Sie ihr Leben zu dem Erfolg machen können, den Sie verdienen, wie jeder andere Mensch ihn auch verdient.
Statt also sich ewig weiter einlullen zu lassen von den ewig gleichen Zielen und Werten, die wir in der Werbung, den Soaps, Wirtschaftsmagazinen, Filmen, etc. immer wieder präsentiert bekommen. Entschließen Sie sich dagegen, bei vollem Bewußtsein ein Zombi zu werden, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Aber: Was tun? Wo anfangen?
Als erstes brauchen Sie einen Traum. Das Träumen ist zwar aus der Mode gekommen und dem sogenannten Realismus geopfert worden, es wurde aus politischen Gründen aus dem Wichtigen des Alltags gestrichen. Aber unsere Träume sind der Motor unseres Lebens, unser Antrieb, also muss ein guter Traum her, der ruhig groß sein kann oder abwegig und „unrealistisch“.
Nehmen wir einmal an, sie möchten als Chefkonstrukteur neue Flugzeuge entwerfen, so dass Ihre Flugzeuge möglichst bald die Himmel der Welt durchstreifen. Sie haben sich schon einige Zeit als Hobby mit dem Bau von Flugzeugen beschäftigt. Leider haben Sie damals ihr Maschinenbaustudium zwar passabel abgeschlossen, auch wenn Sie zu lange gebraucht haben. Sie sind dann doch in der Region ihrer Kindheit geblieben und zu der Firma um die Ecke gegangen, die Sie jetzt nach 12 Jahren nervenzerfetender Arbeit vor die Tür gesetzt hat.
Für den Posten eines neuen Chefkonstrukteurs, der von außen kommt braucht man in einem Konzern eine ganze Menge, das Sie nicht worzuweisen haben. Noch nicht.
Sie wollen also eine leitende Stelle in der Konstruktionsabteilung eines Konzerns? Gut, dann brauchen Sie Referenzen und einen optimierten Lebenslauf. Sie brauchen Leute, die sie empfehlen und gut über Sie sprechen. Wo haben Sie studiert? In Kassel? Bei Professor Soundso in der Materialtechnik? Kein Auslandssemester in den USA oder Japan? Keine Stipendien, Konstruktions- oder Forschungspreise? Nun gut, lassen Sie uns das ein wenig anpassen.
Sagen wir, Sie haben ein paar Semester in Kassel bei ihrem Professor studiert, aber auch an der FH Esslingen und am MIT in den USA, wo sie ein Forschungsstipendium für Materialtechnik hatten. Danach haben Sie bei dem Projekt von Prof. Dr. Miller mitgearbeitet, von dem in der Science vor 3 Jahren berichtet wurde. Und so machen wir dann weiter, bis Ihr Lebenslauf der reinste Festschmaus jeder Personalabteilung ist.
Ihr Englisch ist nicht das Beste und Sie waren noch nie in den USA? Dann machen Sie dort einen Sprachurlaub und lesen sich in die Publikationen des Lehrstuhls ein, an dem Sie laut unserer Geschichte waren. Suchen Sie sich dort einen Job als Hausmeister oder Putzmann, wenn sie den Ort besser kennenlernen wollen oder sehen Sie Filme darüber im Original.
Dass Sie in den Datenbanken der Universität und der Einwanderungsbehörde auftauchen, dafür werde ich sorgen und auch, dass man sich an Sie erinnert und in den höchsten Tönen von Ihnen spricht.
Es gibt da noch einige Leute, die mir helfen werden, wenn ich sie darum bitte, wie sicherlich Sie auch.
Das ist Teil des Deals, ich helfe ihnen, Sie helfen mir.
Wenige Wochen bevor Sie bereit für Ihren neuen Job sind, werden wir ihn suchen. Wir suchen uns genau den Job, den Sie wollen. Und falls es ihn noch nicht gibt oder die Stelle besetzt ist, verhelfen wir den richtigen Leuten zu einem Aufstieg in der Karriereleiter, oder zu einem neuen und besser bezahlten Job, den diese sich immer gewünscht haben, sodass die Stelle bereit für Sie sein wird, wie Sie bereit für sie sind. Dann sorgen wir in dem Konzern dafür, dass die richtigen Leute aufmerksam auf Sie werden und auf Sie warten, wenn ihre Bewerbung eintrifft.
In der Zwischenzeit werden Sie lernen und trainieren, ihre Rolle perfekt zu beherrschen und der zukünftige Konstruktionschef dieses Konzernes zu sein. Sie werden der Beste Konstruktionschef sein, den dieser Konzern je hatte.
Sie werden sich wundern, wie schell sich Ihr Lebenslauf ändert und mit ein wenig Training wird ihnen Ihre neue Vergangenheit so in Fleisch und Blut übergegangen sein, dass selbst ein Lügendetektor sie nicht enttarnen kann.
Sie glauben gar nicht, was alles funktioniert, wenn Menschen anfangen ihre Vergangenheit und Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Schauen Sie sich um. Es sind nicht nur einzelne Individuen, die Ihre Vergangenheit ändern, um Gegenwart und Zukunft eine neue Richtung zu geben. Ganze Organisationen und auch Nationen tun dies tagtäglich. Da werden Vergangenheiten um- oder neugedichtet, wie es gerade gebraucht wird. Sehen Sie sich zum Beispiel die Vergangenheit unseres Landes an. Sehen Sie, wie sie sich in den letzten 20 Jahren verändert hat? Da wurden aus dem ewigen Schadfleck der Vergangenheit in kürzester Zeit der positive Fixpunkt einer aufgeklärten Gegenwart und der Garant einer blühenden Zukunft einer nationalen Identität. Wem fallen die Widersprüche auf? In kürzester Zeit verwandeln sich die vermeintlich bestialischen Massenmörder in die bedauernswerten Opfer ihrer Zeit. Fragt jemand, wie es wirklich war? Wer was wirklich aus welchen Gründen getan hat?
Was im Großen funktioniert ist im Kleinen viel einfacher. Besonders weil unhinterfragt für wahr gehalten wird, was die Datensysteme preisgeben, was ein ausgewiesener Experte sagt oder was in den jeweiligen maßgeblichen Publikationen steht.
Mit der Arbeit eines gewieften Könners im Bereich der Datentechnik tauchen plötzlich Menschen in Datenbanken und der Registratur einer Universität auf, die es dort zuvor niemals gegeben hat und dann muss man nur noch einen netten Brief an die Universität schreiben, dass bei einem Brand Ihre Unterlagen vernichtet worden sind und Sie doch bitte ein neues Exemplar bräuchten. In Null Komma Nichts haben Sie eine Originalurkunde.
Wenn Sie sich einmal an den Gedanken gewöhnt haben, dass weder ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft festgeschrieben sind, werden Sie feststellen, dass Datenerfassung und die Erinnerung für Sie arbeiten. Sie werden feststellen, wie einfach es ist, das Leben zu leben, das gut für Sie ist.
Aber vergessen sie niemals den alten Rat: „Tu so, als seiest du Buddah, bis Du Buddah bist.“